18. März 2009
Kommentar des NDK zum Aufruf des 5. Antirassistischen Sonntagsspaziergangs
Am 22. März 2009 findet der 5. Antirassistische Sonntagsspaziergang durch Wurzen statt. Die Veranstalter - ein Aktionsbündnis im Landkreis Leipzig - möchten damit auf Rechtsextremismus, Rassismus und
Antisemitismus aufmerksam machen. Als NDK stehen wir Projekten und Aktionen, die auf solche menschenfeindlichen Tendenzen und rechtsextreme Strukturen aufmerksam machen wollen, grundsätzlich sehr positiv gegenüber. Demonstrationen und Kundgebungen sind dabei ein möglicher Weg, diese Probleme zu benennen und öffentlich zu machen. Auch in Wurzen. Hier wurde jener Sonntagsspaziergang im letzten Jahr von ca. 60-70 mutmaßlichen Neonazis massiv bedroht, und nur durch Polizeipräsenz konnte Schlimmeres verhindert werden. Unstrittig ist, dass Wurzen nach wie vor ein wahrnehmbares Problem hat. Der europaweit agierende Neonazi-Versandhandel Front Records, der laut Angaben des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz einer der größten der Neonazi-Szene in Deutschland ist, dokumentiert dies deutlich. Trotz des begrüßenswerten Ansinnens der Organisatoren, auf diese Missstände aufmerksam zu machen, sehen wir den Aufruf zum Sonntagsspaziergang allerdings kritisch, vor allem, weil aus unserer Sicht das entstandene zivilgesellschaftliche Engagement nicht ausreichend gewürdigt wird. Gerade in den letzten Jahren hat sich in der öffentlichen Diskussion um Rechtsextremismus und in der Aktivierung der Bevölkerung in Wurzen sehr viel Positives entwickelt. Benennen möchten wir hier folgende Beispiele: - Im Oberbürgermeister-Wahlkampf 2008 wurde das Thema Rechtsextremismus von den Kandidaten so offen angesprochen wie selten zuvor. - Das Projekt Bürgerbrief, das vom NDK im Jahr 2008 mit drei Ausgaben umgesetzt wurde, hat die große Bereitschaft einer Vielzahl von Wurzener MultplikatorInnen gezeigt, deutlich Position gegen menschenfeindliche Einstellungen und neonazistische Strukturen zu beziehen. - Im Rahmen des Lokalen Aktionsplans wurde die Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsextremismus auf eine breitere Basis gestellt, vielfältige Aktionen wurden in den vergangenen beiden Jahren auf diesem Wege umgesetzt. - Im Rahmen zweier öffentlicher Foren im Jahr 2008, die maßgeblich von der Standortinitiative Wurzen e.V. initiiert wurden, wurden Problemwahrnehmungen von AkteurInnen aus vielen verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen wie Wirtschaft, Politik, soziale Arbeit und Kirchen diskutiert. - Akteure wie Schulen und Jugendhaus setzen sich intensiv mit dem Thema Holocaust auseinander und organisieren bspw. Bildungsreisen in die Gedenkstätte Auschwitz. Der im Aufruf enthaltene pauschale Vorwurf, die Wurzener Stadtgesellschaft zeige Desinteresse und Ignoranz am Thema, ist aus unserer Sicht falsch und deshalb nicht hilfreich. Ziel sollte es sein, die o. g. Projekte und Bemühungen qualitativ weiter zu untersetzen, auszubauen und neue zu entwickeln.