27. Januar 2009
Rechtsextremistisches Flugblatt diffamiert Netzwerk für Demokratische Kultur e.V. in Wurzen
Rechtsextremistisches Flugblatt diffamiert Netzwerk für Demokratische Kultur e.V. in Wurzen
Vereinsprojekt „Bürgerbrief“ verärgert Neonazis
Wurzen, 27. Januar 2009: Angehörige der
rechtsextremistischen Szene verteilten in Wurzen in den letzten Tagen Exemplare einer so genannten „Burgerpost“ (Rechtschreibfehler im Original). Damit reagiert die extreme Rechte auf ein Projekt des Wurzener Netzwerk für Demokratische Kultur e.V. (NDK), das im Jahr 2008 drei „Bürgerbriefe für Demokratie und Zivilcourage“ heraus gegeben hat. Im Rahmen des NDK-Projekts, das eingebunden war in den Lokalen Aktionsplan des Muldentalkreises, wurde über Rechtsextremismus aufgeklärt, Projekte zur Demokratieförderung wurden vorgestellt. Als Autoren konnten Multiplikatoren aus der Wurzener und Bennewitzer Zivilgesellschaft, darunter Stadträte, Schulleiter und Oberbürgermeisterkandidaten gewonnen werden. Finanziert wurde das Projekt im Rahmen des Bundesprogramms „VIELFALT TUT GUT. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
In dem nun durch die rechtsextreme Szene verteilten Flugblatt wird nicht nur Werbung für diverse neonazistische Internetseiten gemacht, sondern auch der altbekannte Vorwurf erhoben, beim NDK handele es sich um eine linksextremistische Organisation, die „geistige Brandstiftung“ und „Nestbeschmutzung“ betreibe. Darüber hinaus werden weitere Falschaussagen über den Verein verbreitet.
„Dass Neonazis versuchen unseren Bürgerbrief zu karikieren, zeigt, dass unser Projekt erfolgreich war und sich die rechtsextremistische Szene getroffen fühlt. Wir haben das Flugblatt unserem Anwalt übergeben, der sich um die juristischen Tatbestände kümmern wird. Zum einen wegen des Impressums, das nicht den rechtlichen Vorgaben entspricht, zum anderen weil einmal mehr von Rechtsextremisten die Tatsachenbehauptung aufgestellt wird, im NDK habe eine 'Drogenrazzia' statt gefunden. Diese Aussage ist falsch. Dies dürfte auch der Grund sein, warum sich die Urheber des Flugblatts hinter einem Pseudonym verstecken, und nicht den Mut aufbringen, mit ihrem richtigen Namen zu ihren Aussagen zu stehen“, kommentierte Miro Jennerjahn, Projektkoordinator beim NDK, die Inhalte des rechtsextremen Flugblatts.
Hintergrund „Drogenrazzia“ bei einer Veranstaltung des Netzwerk für Demokratische Kultur e.V.:
Seit längerem wird insbesondere von Akteuren der rechtsextremen Szene das Gerücht gestreut, am 22. Dezember 2007 habe im Kultur- und BürgerInnenzentrum D5 eine Hausdurchsuchung wegen „Verdachts auf Handel und Konsum von Betäubungsmitteln statt gefunden“. Diese Behauptung ist in mehrfacher Hinsicht falsch. Weder hat am 22. Dezember 2007 eine Veranstaltung in unseren Räumlichkeiten statt gefunden, noch hat es zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt eine „Drogenrazzia“ gegeben. Hintergrund für das gestreute Gerücht dürfte ein Polizeieinsatz während einer NDK-Veranstaltung am 16. November 2007 sein. Während dieser Veranstaltung griffen mehrere Besucher unvermittelt das anwesende Security-Personal an und skandierten antisemitische Rufe wie „Juden raus“. Der darauf hin durchgeführte Polizeieinsatz wurde von Mitgliedern des NDK ausgelöst, um diese rechtsextremistischen Umtriebe zu beenden.
Von Interesse ist jedoch die Entstehungsgeschichte des Gerüchts. Erstmals geäußert wurde es in Ausgabe 1 Januar/Februar 2008 der Zeitschrift „Der Buchheimer“, die in einer benachbarten Gemeinde heraus gegeben wird. Die Zeitschrift versteht sich selbst als „halbsatirisch“, fällt jedoch immer wieder durch Texte mit rassistischen und antisemitischen Untertönen auf. In besagter Ausgabe wird in dem Artikel „Ich hatte einen Traum“ über einen Polizei-Einsatz am 22. Dezember 2007 phantasiert, bei dem ein Gebäude am Wurzener Domplatz durchsucht worden sei und bei dem die Polizei verschiedene Drogen sicher gestellt habe. Namentlich erwähnt wird das NDK in diesem Artikel jedoch nicht. Aufgegriffen wurde das Gerücht dann von dem NPD-Landtagsabgeordneten Winfried Petzold in einer Kleinen Anfrage an die Sächsische Staatsregierung (Landtagsdrucksache 4/11314). In der Antwort der Sächsischen Staatsregierung kommt deutlich zum Ausdruck, dass weder am 22. Dezember 2007 noch zu einem anderen Termin eine Durchsuchung von NDK-Räumlichkeiten wegen des „Verdachts auf Handel und Konsum von Betäubungsmitteln“ statt gefunden hat. Eine ähnliche mündliche Anfrage gab es in einer der letzten Kreistagssitzungen des ehemaligen Landkreis Muldental durch Angehörige der rechtsextremen Szene.
Deutlich wird, dass es sich bei der genannten Behauptung um eine systematische Kampagne der extremen Rechten gegen das NDK handelt. Dass aus diesen Kreisen Lügen über das NDK verbreitet und Vereinsmitglieder namentlich beleidigt werden, ist nicht neu. Eine neue Qualität bekommen diese Vorwürfe jedoch dadurch, dass dies erstmals anhand eines konkreten Themas versucht wird, das seit nunmehr einem Jahr immer wieder in die Öffentlichkeit getragen wird. Auffällig ist darüber hinaus das arbeitsteilige Vorgehen zwischen NPD und so genannten „Freien Kräften“.
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