10. November 2004
Stellungnahme zu den Ereignisse am Abend des 8. November in Wurzen
Wir möchten als erstes ausdrücklich darauf hinweisen, dass nicht allein das Netzwerk für Demokratische Kultur betroffen war und agierte, sondern genauso das Mobile Beratungsteam Wurzen und Amal
Wurzen. Wir entsolidarisieren uns keineswegs von anderen Gruppen, die im Toleranten Sachsen tätig sind. Wir haben in dieser Situation jedoch sehr bewusst die Solidarität innerhalb der Stadt Wurzen gesucht. Unsere Überzeugung ist, dass eine nachhaltige Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in Wurzen vor allem mit den Menschen vor Ort geschehen muss.
Es ist in Wurzen an diesem Montag erstmals sehr schnell gelungen, eine größere Gruppe von meinungsbildenden Persönlichkeiten der Stadt zur Solidarisierung gegen den Gewaltakt zu bewegen. Entstanden ist ein Aufruf zur Unterschriftensammlung, der sicherlich nicht so pointiert formuliert ist, wie es möglich gewesen wäre, hätten nur wir ihn verfasst. Dieser Aufruf kann jedoch ein erster, wichtiger Schritt zu einer breiten Meinungsäußerung gegen rechte Gewalt sein. (Siehe Anhang!)
Gemeinsam kamen wir zu der Auffassung, dass eine spontane Demonstration durch Wurzen mit vielen auswärtigen TeilnehmerInnen zum gegenwärtigem Zeitpunkt eher kontraproduktiv ist. Von den Organisatoren der Demonstration gab es leider mit niemandem von uns eine offizielle Abstimmung über ein gemeinsames Vorgehen. Somit sahen wir uns einer Situation gegenüber, die wir nicht selbst initiiert oder mitgestaltet und auf die wir wenig Einflussmöglichkeiten hatten. Da wir uns dessen bewusst waren, dass eine Vielzahl der zu erwartenden DemonstrationsteilnehmerInnen mit der geplanten Aktion ihre Solidarität bekunden wollten, wir aber in diesem Fall die Form einer Spontandemonstration ablehnen, versuchten wir, mit einer improvisierten Kundgebung zu reagieren. Dazu bekannten sich auch Wurzener Bürger, die nicht Mitglied des NDK, MBT oder von Amal sind. Es bestand die Möglichkeit sich über Statements öffentlich zu positionieren. Dass dieses Angebot von einem erheblichen Anteil der TeilnehmerInnen ignoriert wurde, betrachten wir als Entsolidarisierung mit uns. Dafür spricht auch, dass wir als Opfer dieses Sprengstoffanschlages mit keiner Silbe, keinem Transparent oder einer öffentlichen Solidaritätsadresse seitens der Demonstration bedacht wurden. Stattdessen haben wir den Eindruck, dass die Opfer zu Verrätern und Tätern gemacht werden.
Wir bedauern es zudem sehr, dass es im Gefolge des Polizeieinsatzes zur Auflösung der Demonstration zu Verletzten kam.
Melanie Haller, NDK
Stephan Meister, NDK
Friedemann Affolderbach, MBT Wurzen
Solvejg Höppner, MBT Wurzen
Ingo Stange, Amal Wurzen
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ANHANG:
Aufruf an die Wurzener Bürgerinnen und Bürger
Liebe Bürgerinnen und Bürger der Stadt Wurzen,
in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag (6./7.11.) wurde auf die Büros des Netzwerkes für Demokratische Kultur e.V., des Mobilen Beratungsteams und der Opferberatung AMAL in der Bahnhofstraße ein Sprengstoffanschlag verübt. Es wurden zwei Rohrbomben an den Scheiben befestigt und zur Explosion gebracht. Zum Glück wurde dabei niemand verletzt.
Wir als Bürgerinnen und Bürger der Stadt Wurzen verurteilen diese neue und extreme Form der Gewalt entschieden. Toleranz und Offenheit müssen die unumstößliche Basis unseres Zusammenlebens sein und bleiben.
Bitte zeigen Sie mit Ihrer Unterschrift, dass wir alle demokratisch miteinander leben wollen.
Setzen auch Sie ein Zeichen!
Gezeichnet:
Gerald Lehne (Bürgermeister), Bernd Merbitz (Leiter der Polizeidirektion Grimma), Dr. Ulrich Heß (Standortinitiative), Friedemann Affolderbach und Solvejg Höppner (MBT), Ingo Stange, Jamil Jawabra und Anja Treichel (AMAL), Dr. Eberhardt Lüderitz (WRC Wurzen), Dr. Cornelia Woitek und Carl Rößler (Beirat NDK), Stefan Winkelmann (Evangelische Kirche), Stephan Meister, Michaela Friedrich und Melanie Haller (NDK)
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