1. Februar 2011
Streik gegen umstrittene Extremismusklausel
Die Initiatoren des bundesweiten „Aktionstages für Demokratie – gegen Misstrauen und Bekenntniszwang“ ziehen eine positive Bilanz der Proteste. Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V., Kulturbüro Sachsen e.V., Opferperspektive Brandenburg e.V. und der Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V. hatten gemeinsam dazu aufgerufen bei der Regierung die Streichung der umstrittenen Extremismusklausel zu verlangen. Einige Initiativen gegen Rechts hatten darüber hinaus für den 1. Februar einen Streik beschlossen, um gegen die “Extremismusklausel” zu protestieren. Sie weisen daraufhin, dass es bereits die dritte strittige Selbstverpflichtungserklärung ist, die Kristina Schröder durchbringen will. Im Jahre 2004 scheiterte sie mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Hörfunksender für deutschsprachige Musik. Ein Jahr später wollte sie eine freiwillige Selbstverpflichtung muslimischer Organisationen und Moscheen, ebenfalls ohne Erfolg.
Statement zum Aktionstag:
Hunderte Protest-E-Mails, Faxe und Briefe erreichten heute Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU). In diesen Protestnoten richten sich neben zahlreichen Bürger/innen auch Träger, Vereine, Bürgermeister/innen sowie Bündnisse und Netzwerke aus dem gesamten demokratischen Spektrum mit der Forderung an die Bundesregierung, die Bespitzelungsklausel aus den Zuwendungsbescheiden der Projekte gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus ersatzlos zu streichen.
Die Bundestags- sowie zahlreiche Landtagsfraktionen von SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und der Linken protestierten ebenso wie zuvor schon der DGB-Vorsitzende Michael Sommer und die „Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus“, in der drei Dutzend kirchliche und kirchennahe Institutionen und Vereine zusammengeschlossen sind. Zahlreiche Träger der freien Wohlfahrt, aus der politischen Bildung und unabhängige Initiativen aus dem gesamten Bundesgebiet beteiligten sich ebenfalls am heutigen Aktionstag. „Für die Förderung einer demokratischen Kultur ist das dadurch bewirkte Klima des Misstrauens und der Denunziation abträglich. Zudem fehlt eine stichhaltige Begründung für eine gesonderte Bestätigungserklärung,“ kritisiert die SPD-Bundestagsfraktion die vom BMFSFJ geforderte Klausel. Auch die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN unterstützt den Aktionstag und schreibt u.a.: „Zur Farce wird die Klausel spätestens dann, wenn Kommunen, in denen NPD-Mitglieder im Stadtrat mitwirken, ihre Verfassungstreue bestätigen, wie es beispielsweise in Riesa der Fall war.“ (4)
In Sachsen traten heute zahlreiche Initiativen in einen politischen Streik, um ihrem Protest gegen die Bundesund Landespolitik hinsichtlich der antidemokratischen Bespitzelungsaufforderungen Ausdruck zu verleihen. Hunderte Initiativen und Einzelpersonen, unterstützt von Parteien und Gewerkschaften und Kirchen, haben sich mit der Aktion „Wir streiken“ dem bundesweiten Protest angeschlossen.
„Die Proteste aus der Mitte der Gesellschaft zeigen das breite Engagement für Demokratie“ so Heike Kleffner von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V. „Sie verdeutlichen erneut, dass die von Ministerin Schröder geforderte Erklärung mit dem Demokratieverständnis großer Teile der Gesellschaft nicht zu vereinbaren ist.“
Mit der umstrittenen „Extremismusklausel“ in den Zuwendungsbescheiden des BMFSFJ-Programms „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ wird von den Trägern sowohl ein schriftliches Bekenntnis zum Grundgesetz als auch die Bespitzelung von Projektpartner/innen und anderen Engagierten verlangt. Im Dezember hatte der renommierte Staats- und Verwaltungsrechtler Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis festgestellt, dass gerade dieser letzte Punkt nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist.
„Wie isoliert Bundesfamilienministerin Kristina Schröder mittlerweile mit ihrem Beharren auf der Bespitzelungsaufforderung ist, zeigt neben der immer lauter werdenden Kritik auch die Tatsache, dass das Bundesinnenministerium in seinem Programm ‚Zusammenhalt durch Teilhabe‘ jetzt auf derlei undemokratische Erklärungen durch die Zuwendungsempfänger verzichtet“, erläutert Grit Hanneforth vom Kulturbüro Sachsen e.V.. Die Aufforderung des Bundesfamilienministeriums an die Projektträger, die Berichte der Verfassungsschutzämter zum Maßstab zu machen für die Bewertung von Projektpartner/innen, werde aus zweierlei Gründen abgelehnt. Zum einen, weil damit staatliche Aufgaben an zivilgesellschaftliche Träger abgegeben werden, die zu geheimdienstlichen Tätigkeiten nicht legitimiert sind. Zum anderen, weil sie ein Klima des Misstrauens und der Bespitzelung schaffen, das die unverzichtbare Demokratie-Arbeit langfristig beschädigt.
Sachsen hat als einziges Bundesland die Ausweitung der Klausel auf Landesförderprogramme angekündigt. Derzeit befindet sich die „Bespitzelungsklausel“ in der Abstimmung mit dem dortigen Justizministerium. „Eine Rücksprache mit dem Bundesinnenministerium, das auf die Anwendung der Klausel bereits verzichtet hat, wäre hier für Sachsen sicher hilfreich,“ so Hanneforth weiter.
„Um einiges demokratischer als die von uns abverlangte Erklärung ist das Zeichen, das dieser Tage hunderte Menschen, Institutionen und Initiativen setzen, indem sie deutlich gegen diesen Versuch, uns zum verlängerten Arm des Verfassungsschutzes zu machen, protestieren“, resümiert Bianca Klose vom Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V..