31. Dezember 2021
Glaube nicht alles, was du liest!
Medienkompetente Erwachsene
Heute werden wir von Nachrichten und Informationen geradezu überflutet. Tag und Nacht – überall auf der Welt werden Daten, Meinungen, Zahlen, Themen produziert und reproduziert. Fange ich einmal an, einen Beitrag im Internet zu lesen, kann es in nur drei Klicks passieren, dass ich bei einem völlig anderem Thema lande oder bei einer Seite mit den wildesten Verschwörungserzählungen. Gedruckte Informationen oder Medien spielen heute in Bezug auf die Informationsbeschaffung – und weitergabe nur noch eine untergeordnete Rolle. Die meisten Menschen nutzen diese eher aus traditionellen Gefühlen heraus, aus Liebe zum knistern des Papiers oder um die Augen mal vom Bildschirm zu entspannen. Eigentlich jedoch ist der Computer, das Tablet oder das Smartphone das Medium der Wahl, wenn es um Neuigkeiten aus der Welt geht. Dabei wird nicht nur konsumiert, sondern auch selbst geschrieben, Informationen geteilt, geliked und wer weiß was noch.
Alle Menschen können Inhalte zu jeder Zeit weltweit veröffentlichen und lesen. Dies stärkt die offene Gesellschaft und macht das Internet zu einem Raum der Freiheit. Doch das hohe Maß an Meinungs- und Informationsfreiheit hat auch Schattenseiten. Auch hier spielen nicht nur die „Guten“ mit. Im Netz verbreiten sich eben auch Hass, Hetze und Falschinformationen rasend schnell und hinterlassen für sehr lange Zeit einen digitalen Fußabdruck. Dabei ist die Information nicht nur schnell, sondern hat auch eine ganz andere Reichweite, als Printmedien, Briefe oder Flugblätter. Klar Fake News hat es schon immer in der Geschichte der Menschheit gegeben, ebenso wie Verschwörungserzählungen. Sie dienten vor allem im politischen Ränkespiel dazu, dem Gegner einen Schaden zuzufügen. Früher wie heute sind Hass, Hetze und Falschinfomationen eine Gefahr für die Demokratie. Gerade in Krisenzeiten erleben wir, wie Fake News und Verschwörungserzählungen ideologische Radikalisierung antreiben, die Medien immer konfrontativer und tendenziöser berichten und unsere Gesellschaft in einen nicht enden wollenden Diskursstrudel gerät.
Weil politische Meinungsbildung heute vermehrt online stattfindet, sollte jedem/ jeder Nutzer:in klar sein, welche Auswirkungen sein/ihr Verhalten im Netz auf die analoge Welt hat.
Das ist aber leider nicht immer der Fall. In Zeiten von Coronaprotesten, dem Erstarken populistischer Parteien und (antisemitischen) Verschwörungserzählungen sowie Politiker:innen wie beispielsweise Donald Trump (der Fake News zu einer neuen Blüte gebracht hat und mehr als alle Anderen an seine ganz persönliche Wahrheit glaubt) ist es wichtiger denn je, Realität von Lüge zu unterscheiden – und Position zu beziehen.
Grund genug für uns, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen und zu schauen, wie kompetent sind wir eigentlich im Umgang mit Informationen und der digitalen Welt. Für Kinder und Jugendliche gibt es eine Menge toller beteiligungsorientierter Angebote in Schulen und Jugendeinrichtungen zur Vermittlung von Medienkompetenz. Für Erwachsene geht es meist über eine Infoveranstaltung am Abend nicht hinaus. Deshalb wollten wir wissen, wie gut Erwachsene in Wurzen sich mit verschiedenen Medien und der Beschaffung von Informationen auskennen und ob ihnen Begriffe wie Fake News oder auch Verschwörungserzählungen bekannt sind.
Deshalb luden wir zunächst zu einem lockeren Austausch ein. Hierbei haben wir erfahren, welche Medien genutzt werden und welchen Quellen vertraut wird. Wir haben aber auch erfahren, dass Menschen über 50 ziemlich fit sind in der Bedienung von Smartphones und Onlinemedien. Die LVZ wird zwar noch sehr häufig als Printausgabe gelesen, aber ein wirkliches Vertrauen in die Informationen besteht bei vielen nicht mehr. Oft werden nur Themen herausgefiltert und dann mit Hilfe einer Onlinerecherche inhaltlich bearbeitet. Dabei informieren sich auch Erwachsene ebenso wie junge Menschen bei Anbieter:innen, die einerseits bei ihnen Vertrauen erwecken und andererseits ihre Meinung widerspiegeln bzw. bestärken. Das ist ja auch nur zu logisch, niemand möchte sich die ganze Zeit ärgern, wenn er/ sie gerade gemütlich beim Kaffee Zeitung liest. Überraschend war dagegen, dass dies unsere Teilnehmer:innen auch ganz klar für sich erkannten. Lange Verbindungen bauen eben auch Vertrauen auf. Ein Medium, welches ich immer lese, ist mir vertraut und ich muss mir weniger Gedanken über den Wahrheitsgehalt machen. Dennoch ist es zur Meinungsbildung notwendig, sich auch mal auf unsicheres Terrain zu begeben. Raus aus der eigenen Blase und rein ins Streitgespräch und die Auseinandersetzung mit der eigenen und anderen Meinungen.
Deshalb haben wir im Rahmen des Projektes nicht nur den lockeren Austausch gesucht, sondern auch Diskussionsveranstaltungen angeboten. Dies ist für uns nicht neu. Seit über 20 Jahren fördern wir den thematischen Austausch und die Diskussion in Wurzen und darüber hinaus. Wiederstreitende Meinungen auf den Tisch zu bringen und konstruktiv zu besprechen, ist ein Kernelement der Demokratie. Leider ist der Wunsch nach Streit, Diskurs und Austausch immer weniger geworden. Oft geht es nur noch darum die eigene Position laut nach außen zu artikulieren und anschließend das Weite zu suchen. Das müssen wir ändern.
Da Vielen diese Entwicklung gar nicht bewusst ist, erarbeiteten wir im Rahmen des Projektes verschiedene anregende Instrumente wie beispielsweise fragende Plakate und Postkarten, einen Podcast und einen Film zum Thema. Sie sollten uns als Teaser für eine Veränderung der Wahrnehmung dienen und aufmerksam machen. Darüber hinaus entschieden wir uns das Wurzener Extrablatt zu einem langlebigen alternativen Medium der Stadt Wurzen zu entwickeln, das davon lebt, dass hier der Freund, die Nachbarin, die Unternehmerin oder der Stadtrat Themen einbringen, Beiträge schreiben und vor allem den Diskurs suchen und nicht scheuen. Wichtig ist dabei, dass nicht nur unterschiedliche Menschen, sondern auch unterschiedliche Meinungen gehört werden, basierend auf dem Grundsatz des rassismus – und diskriminierungsfreien Raumes, den wir hier bieten, in dem menschenverachtende Meinungen keinen Platz haben. Darüber hinaus ist vieles erlaubt, bequeme und unbequeme Themen. Das Redaktionsteam ist immer offen für alle Interessierten. An wie vielen Ausgaben jede/r mitarbeitet, ist eine freie Entscheidung. Darüber hinaus werden in die Artikel dann weitere Menschen einbezogen. Damit auch wir mit der digitalen Entwicklung Schritt halten, gibt es ab 2021 das Wurzener Extrablatt auch digital zu lesen.
Über unterschiedliche Wege und Ansätze ist es uns gelungen mit verschiedenen Menschen ins Gespräch zu kommen und gemeinsam Ansätze zu entwickeln, die auch langfristig wirken und immer wieder neue Ideen hervorbringen werden. Das Thema Fake News wird noch lange nicht Geschichte sein, deshalb werden wir auch zukünftig Impulse aufnehmen, neue Formen der (spielerischen) Auseinandersetzung entwickeln und hoffentlich noch mit vielen Menschen in Wurzen dazu ins Gespräch kommen.
Das Projekt wurde begleitet durch Studierende des zweiten Semesters der Medienpädagogik der Universität Leipzig und dem Verein Helliwood Media.
Finanziert wurde das Projekt durch die Sächsische Landesmedienanstalt und die Partnerschaft für Demokratie des Landkreises Leipzig.
Podcast zum Projekt: 2309_Podcast_Folge_1_Glaube_nicht_alles.mp3
Den Film zum Thema Fake News können sie hier sehen: demnächst hier
Beispiel eines Posters: NfDK_Poster_FakeNews_1.pdf